Foto: Michael Meyer
Toribio Ticona (Mitte) macht mit bei einer Veranstaltung der Partnerschaftsarbeit mit dem Bistum Trier.
Minenarbeiter, Maurer und Missionar
Von: Michael Meyer
Dem neu ernannten bolivianischen Kardinal Toribio Ticona sind bis heute die Begegnungen mit Partnern aus dem Bistum Trier ein Herzensanliegen.
Papst Franziskus hat Toribio Ticona Porco (81) für sein unermüdliches Engagement im Dienst des armen Volkes und seine langjährigen Verdienste für die bolivianische Kirche in den Rang der Purpurträger erhoben (der „Paulinus“ berichtete). Die Überraschung ist wohl für „Padre“ Toribio – so möchte er sich auch nach der Kardinalserhebung am 28. Juni nennen lassen – am größten. Er selbst hätte es sich nie und nimmer vorgestellt, dass er sechs Jahre nach seiner Emeritierung als Bischof der Prälatur Coro-Coro im kargen Andenhochland noch einmal in eine neue Verantwortung gerufen wird.
Außergewöhnlich und bewegend sein Lebensweg: Ticona wird in einfachen Verhältnissen in der Nähe von Potosí geboren. Bis heute gehört das Departamento Potosí zu den ärmsten Regionen Boliviens, ja sogar Südamerikas. Von klein auf ist Ticona mit den Herausforderungen des harten Lebens bekannt. Er lernt die Fratzengesichter der Armut, des Hungers und der schlechten Gesundheitsvorsorge am eigenen Leib kennen. Wie viele andere auch, so muss er sich durchschlagen, um das Leben seiner Großfamilie mit zu finanzieren. Als Minenarbeiter in den Silberminen seiner Heimat arbeitet er ebenso wie als Schuhputzer oder Maurer. Gelegenheitsjobs als Taxifahrer nimmt er an, er ist auch als Mitarbeiter in der heimischen Bierbrauerei „Potosina“ tätig. Die Mühen des einfachen Volkes sind ihm nicht unbekannt.
Außergewöhnlich und bewegend sein Lebensweg: Ticona wird in einfachen Verhältnissen in der Nähe von Potosí geboren. Bis heute gehört das Departamento Potosí zu den ärmsten Regionen Boliviens, ja sogar Südamerikas. Von klein auf ist Ticona mit den Herausforderungen des harten Lebens bekannt. Er lernt die Fratzengesichter der Armut, des Hungers und der schlechten Gesundheitsvorsorge am eigenen Leib kennen. Wie viele andere auch, so muss er sich durchschlagen, um das Leben seiner Großfamilie mit zu finanzieren. Als Minenarbeiter in den Silberminen seiner Heimat arbeitet er ebenso wie als Schuhputzer oder Maurer. Gelegenheitsjobs als Taxifahrer nimmt er an, er ist auch als Mitarbeiter in der heimischen Bierbrauerei „Potosina“ tätig. Die Mühen des einfachen Volkes sind ihm nicht unbekannt.
Beseelt vom Ideal der Arbeiterpriester
Durch den Kontakt zu belgischen Missionaren, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Diözese Potosí wirken, entdeckt der junge Toribio seine Lebensberufung als Priester. Inspiriert vom Dreischritt „Sehen“ – „Urteilen“ – „Handeln“ der Christlichen Arbeiterjugend und vom Ideal der Arbeiterpriester beseelt, beginnt Ticona in Sucre seine philosophisch-theologischen Studien.
In der Hauptstadt Boliviens lernt er unter anderem die weltkirchliche Partnerschaft mit der Diözese Trier kennen. Ein Pastoralpraktikum führt ihn beispielsweise in die entlegene Region „Montegaduo“, wo der junge Student Seite an Seite mit der ersten Trierer Equipe – unter anderem mit Leo Schwarz – leben und arbeiten wird. Gewiss, die praktischen Dinge liegen ihm näher als akademische Diskurse. So erzählt er als Anekdote aus seiner Studienzeit, dass er sich lieber den Reparaturen von Autos in mechanischen Werkstätten gewidmet hätte als Bibliotheken mit wissenschaftlicher Literatur zu betreten. Er sei halt ein „Mensch der praktischen Dinge“ beziehungsweise ein „Mann des Volkes“.
In der Hauptstadt Boliviens lernt er unter anderem die weltkirchliche Partnerschaft mit der Diözese Trier kennen. Ein Pastoralpraktikum führt ihn beispielsweise in die entlegene Region „Montegaduo“, wo der junge Student Seite an Seite mit der ersten Trierer Equipe – unter anderem mit Leo Schwarz – leben und arbeiten wird. Gewiss, die praktischen Dinge liegen ihm näher als akademische Diskurse. So erzählt er als Anekdote aus seiner Studienzeit, dass er sich lieber den Reparaturen von Autos in mechanischen Werkstätten gewidmet hätte als Bibliotheken mit wissenschaftlicher Literatur zu betreten. Er sei halt ein „Mensch der praktischen Dinge“ beziehungsweise ein „Mann des Volkes“.
Option für die Armen wird seinen Einsatz prägen
1967 zum Priester geweiht, arbeitet Ticona an verschiedenen Stellen seines Bistums. Die Neuaufbrüche des Konzils und die prophetische Option für die Armen (Medellín 1968) und für die Jugend (Puebla 1979) der lateinamerikanischen Kirche werden seinen Einsatz prägen. Die praktischen Erfahrungen der Pastoral kann er schließlich in einem zweijährigen Aufbaustudium am Institut „Lumen Vitae“ der belgischen Jesuiten in Brüssel vertiefen.
Nach Beendigung der theologischen Studien in Europa kehrt er nach Bolivien zurück und verfolgt konsequent der Ansatz einer ganzheitlichen Pastoral, die sich der Befreiungstheologie verpflichtet weiß. Er lässt sich auch in jenem Moment nicht zurückschrecken, als Bolivien den schwierigen Weg der Militärdiktatur in den 1970er beziehungsweise Anfang der 1980er Jahre zu meistern hat. Von den Militärs verhaftet, verhört und eine längere Zeit ohne Nahrung wegsperrt – auch diese Erfahrung ist Toribio Ticona bekannt. Für ihn waren die Erlebnisse mit dem Unrechtsregime jedoch Impuls und Ansporn, für die Würde des Menschen und für die soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu kämpfen.
Im Jahr 1986 wird Ticona als Weihbischof des Bistums Potosí ernannt und beginnt seinen bischöflichen Dienst – in enger Kooperation mit seinem Studienfreund Erzbischof Edmundo Abastoflor – in der ländlichen und bettelarmen Region im Norden seines Bistums. Mit der Beteiligung vieler Katechisten und Ordensleute sucht er die Vision einer Kirche der Partizipation zu verwirklichen, die sich am Modell der Basisgemeinden orientiert. Er stärkt und ermutigt alle Frauen und Männer seines Visitationsbezirkes, ihr Leben aus der Lektüre und dem Geist des Evangeliums heraus zu gestalten und sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Das Wort des Lukasevangeliums „Der Herr hat mich gesandt, den Armen eine Frohbotschaft zu bringen“ ist für den jungen Weihbischof dabei stets Dreh- und Angelpunkt einer missionarischen Kirche.
1992, dem denkwürdigen Jahr der 500-Jahr-Feier der sogenannten „Entdeckung“ Amerikas, wird Ticona zum Bischof der Prälatur Coro-Coro im Andenhochland berufen. Neben seiner Muttersprache „Quechua“ eignet er sich schnell die Sprache der „Aymara“ an, denn die substantielle Verkündigung des Evangeliums kann seiner Meinung nach nur inkulturiert, also in der Sprache des Volkes, geschehen. Bischof Toribio ist wie prädestiniert, um den von der südamerikanischen Kirche eingeschlagenen Weg der Inkulturation zu gehen. So wird er als Experte der indigenen Kulturen zur vierten Konferenz des lateinamerikanischen Episkopates im Jahr 1992 nach Santo Domingo entsandt.
Nach Beendigung der theologischen Studien in Europa kehrt er nach Bolivien zurück und verfolgt konsequent der Ansatz einer ganzheitlichen Pastoral, die sich der Befreiungstheologie verpflichtet weiß. Er lässt sich auch in jenem Moment nicht zurückschrecken, als Bolivien den schwierigen Weg der Militärdiktatur in den 1970er beziehungsweise Anfang der 1980er Jahre zu meistern hat. Von den Militärs verhaftet, verhört und eine längere Zeit ohne Nahrung wegsperrt – auch diese Erfahrung ist Toribio Ticona bekannt. Für ihn waren die Erlebnisse mit dem Unrechtsregime jedoch Impuls und Ansporn, für die Würde des Menschen und für die soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu kämpfen.
Im Jahr 1986 wird Ticona als Weihbischof des Bistums Potosí ernannt und beginnt seinen bischöflichen Dienst – in enger Kooperation mit seinem Studienfreund Erzbischof Edmundo Abastoflor – in der ländlichen und bettelarmen Region im Norden seines Bistums. Mit der Beteiligung vieler Katechisten und Ordensleute sucht er die Vision einer Kirche der Partizipation zu verwirklichen, die sich am Modell der Basisgemeinden orientiert. Er stärkt und ermutigt alle Frauen und Männer seines Visitationsbezirkes, ihr Leben aus der Lektüre und dem Geist des Evangeliums heraus zu gestalten und sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Das Wort des Lukasevangeliums „Der Herr hat mich gesandt, den Armen eine Frohbotschaft zu bringen“ ist für den jungen Weihbischof dabei stets Dreh- und Angelpunkt einer missionarischen Kirche.
1992, dem denkwürdigen Jahr der 500-Jahr-Feier der sogenannten „Entdeckung“ Amerikas, wird Ticona zum Bischof der Prälatur Coro-Coro im Andenhochland berufen. Neben seiner Muttersprache „Quechua“ eignet er sich schnell die Sprache der „Aymara“ an, denn die substantielle Verkündigung des Evangeliums kann seiner Meinung nach nur inkulturiert, also in der Sprache des Volkes, geschehen. Bischof Toribio ist wie prädestiniert, um den von der südamerikanischen Kirche eingeschlagenen Weg der Inkulturation zu gehen. So wird er als Experte der indigenen Kulturen zur vierten Konferenz des lateinamerikanischen Episkopates im Jahr 1992 nach Santo Domingo entsandt.
Für bolivianische Migranten unterwegs
Sowohl die lokale Verwurzelung in seiner Heimat mit den reichen kulturellen Prägungen wie auch die internationalen weltkirchlichen Vernetzungen sind ihm wichtig. Immer wieder ist er im Auftrag der nationalen Caritas für die Migrantenpastoral unterwegs, um seine bolivianischen Landsleute in den Megastädten des Subkontinentes wie Buenos Aires oder Santiago de Chile zu besuchen. Vielfach schuften die bolivianischen Migranten dort unter menschenwürdigen Bedingungen als Hilfsarbeiter.
Zu den internationalen Verbindungen gehört für den neu ernannten Kardinal in besonderer Weise die Partnerschaftsarbeit der Kirche Boliviens mit den deutschen Partnerdiözesen Hildesheim und Trier. Er selbst ist ein Mann der ersten Stunde für die Freundschaftsinitiativen, gehört er der 1989 neu ins Leben gerufenen „Comisión de Hermandad“ der Bolivianischen Bischofskonferenz von Beginn und über Jahrzehnte an. Bis heute sind ihm die Begegnungen mit den Partnern aus Deutschland ein Herzensanliegen: Unzählige Gruppen und Gäste erleben ihn als Gastgeber, der die Türen seines bescheidenen Bischofshauses weit öffnet. Als unermüdlich Reisender im Namen der Partnerschaftsarbeit, hat er die Freundschaftsbrücke ausgebaut und bei seinen ungezählten Besuchen in Deutschland vertieft.
Zu den internationalen Verbindungen gehört für den neu ernannten Kardinal in besonderer Weise die Partnerschaftsarbeit der Kirche Boliviens mit den deutschen Partnerdiözesen Hildesheim und Trier. Er selbst ist ein Mann der ersten Stunde für die Freundschaftsinitiativen, gehört er der 1989 neu ins Leben gerufenen „Comisión de Hermandad“ der Bolivianischen Bischofskonferenz von Beginn und über Jahrzehnte an. Bis heute sind ihm die Begegnungen mit den Partnern aus Deutschland ein Herzensanliegen: Unzählige Gruppen und Gäste erleben ihn als Gastgeber, der die Türen seines bescheidenen Bischofshauses weit öffnet. Als unermüdlich Reisender im Namen der Partnerschaftsarbeit, hat er die Freundschaftsbrücke ausgebaut und bei seinen ungezählten Besuchen in Deutschland vertieft.
Alter und Parkinson schwächen ihn sichtlich
Ob als Sänger des melodisch bewegenden „Sumaj“ („Sanctus“ in der Sprache der „Quechua“) bei festlichen Gottesdiensten, ob als leidenschaftlicher Verkünder im Rahmen der Katechesen beim Weltjugendtag in Köln oder ob als prophetischer und klarer Verteidiger der Marginalisierten beim alternativen G-7/8 Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007: Padre Toribio hat sich nicht geschont. Er hat immer wieder kraftvoll seine Stimme für die Verletzten und die Entrechteten erhoben, auch wenn das Alter und die Parkinson-Erkrankung ihn in den letzten Jahren sichtlich geschwächt haben.
Seinen direkten Vorgänger in der Kardinalswürde, den weit über Bolivien hinaus geachteten Kardinal Julio Terrazas, nannte Toribio Ticona stets liebevoll „Padrino“ („Pate“), da Bischof Julio ihm zur Bischofsweihe seinen Hirtenstab geschenkt hatte. Nun ist Toribio Ticona – nach dem aus dem Saarland stammenden José Clemente Maurer und Julio Terrazas (beide Redemptoristen) – zum dritten Kardinal Boliviens ernannt. Er steht damit in der Linie einer armen Kirche mit den Armen, die in den Rängen ihrer Purpurträger einen Schuhputzer, Minenarbeiter und Maurer zählt. Für die Menschen Boliviens ist das ein Grund zu großer Freude, für die Weltkirche ein prophetisches Pfingstgeschenk.
Seinen direkten Vorgänger in der Kardinalswürde, den weit über Bolivien hinaus geachteten Kardinal Julio Terrazas, nannte Toribio Ticona stets liebevoll „Padrino“ („Pate“), da Bischof Julio ihm zur Bischofsweihe seinen Hirtenstab geschenkt hatte. Nun ist Toribio Ticona – nach dem aus dem Saarland stammenden José Clemente Maurer und Julio Terrazas (beide Redemptoristen) – zum dritten Kardinal Boliviens ernannt. Er steht damit in der Linie einer armen Kirche mit den Armen, die in den Rängen ihrer Purpurträger einen Schuhputzer, Minenarbeiter und Maurer zählt. Für die Menschen Boliviens ist das ein Grund zu großer Freude, für die Weltkirche ein prophetisches Pfingstgeschenk.
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Unser Autor …
… Dr. Michael Meyer ist Kaplan in der Pfarreiengemeinschaft Völklingen St. Eligius, gehört zum Team der Erkunder im Rahmen der Synodenumsetzung und war Partnerschaftsbeauftragter der Bolivianischen Bischofskonferenz in La Paz.
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